Die Rückkehr der Inflation

von | 01. Februar 2021

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Viele werden glücklich sein, dass das Jahr 2020 endlich vorbei ist. Die Covid-19 Pandemie hat bislang weltweit etwa zwei Millionen Menschenleben gekostet und war für unzählige Lockdowns sowie andere Restriktionen verantwortlich. Zur menschlichen Tragödie gesellten sich eine Weltwirtschaftskrise inklusive schwerer Verwerfungen an den Finanzmärkten. Die Weltwirtschaft vollzog in den vergangenen 12 Monaten eine Achterbahnfahrt. Zunächst verursachte die Pandemie die mit Abstand tiefste ökonomische Depression seit Beendigung des Zweiten Weltkriegs. Unser Wirtschafts- und Finanzsystem befand sich unmittelbar vor dem totalen Zusammenbruch. Dafür, dass es glücklicherweise doch nicht dazu kam, sorgten die Maßnahmen der Geld- und Fiskalpolitik. In buchstäblich letzter Sekunde haben Regierungen und Notenbanken mit bis dato unvorstellbaren Maßnahmen für eine Stabilisierung gesorgt, die im zweiten Halbjahr in eine starke Konjunkturerholung mündete. Die geld- und fiskalpolitischen Zügel in den Industrieländern wurden auf spektakuläre Art und Weise gelockert. Die Verschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt schnellte empor und stieg in vielen Ländern deutlich höher als in den Jahren nach der globalen Finanzkrise. Die großen Zentralbanken haben den Anstieg der Haushaltsdefizite weitgehend finanziert, indem sie eine wachsende Staatsverschuldung monetarisierten. Auch wenn der Weg zum Vorkrisen-Niveau noch weit erscheint, so ist zumindest ein Anfang gemacht.

Die Hoffnung auf weitere Verbesserungen sind durchaus berechtigt. Die Corona-bedingten Belegungen von Intensivbetten und Todesfälle sollten zwar im ersten Quartal 2021 ihren Höhepunkt erreichen, dann aber abflachen. Mittlerweile wird in vielen Ländern geimpft. Da Risikogruppen bevorzugt werden, sollte sich das in den kommenden Monaten in den Statistiken positiv auswirken, da für junge Menschen ohne Vorerkrankungen das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs als relativ gering einzustufen ist.

Dieses massive Einschreiten der Geld- und Fiskalpolitik wird unser Leben verändern. Leider schlitterte die Welt bereits völlig überschuldet in die Corona-Pandemie. Konsequenterweise wurde aus einer sonst ökonomisch beherrschbaren Krise eine existentielle. Die Geldpolitik der Notenbanken geriet an ihre Grenzen. Es begann die große Zeit der fiskalpolitischen Maßnahmen. Da die explodierenden Staatsausgaben nicht mehr über die Kapitalmärkte in vollem Umfang zu refinanzieren sind, erlebt die offene Staatsfinanzierung über die Notenpresse ihre Renaissance. Regierungen und Notenbanken verschmelzen. Es riecht nach Weimar.

Die Unabhängigkeit der Notenbanken verkommt zu einer geschichtlichen Episode. Der Finanzmarkt wird von ihnen nicht mehr beobachtet, sondern gemacht. Die Staatsbudgets werden nicht mehr überwacht, sondern finanziert. So verwundert es nicht, dass mit Janet Yellen eine frühere Präsidentin der US-Notenbank (FED) im Biden-Kabinett Finanzministerin wird und Christine Lagarde, eine frühere französische Finanzministerin, das Amt der Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) bekleidet. Letztere hat kurz vor Weihnachten angekündigt, die Notenpressen noch schneller laufen zu lassen, obwohl man aus dem Geschichtsbuch weiß, wohin eine Politik der enthemmten Geldflutung führt. So beschloss die EZB, ihr Pandemie-Notfallkaufprogramm um 500 Milliarden Euro auf nunmehr 1,85 Billionen Euro aufzustocken und den Zeitraum für die Käufe um neun Monate bis mindestens März 2022 zu verlängern. Außerdem können sich die Geschäftsbanken zwölf Monate länger als bisher Geld zu extrem günstigen Konditionen von der Notenbank leihen. Der Zins, den die EZB ihnen dabei in Rechnung stellt, reicht bis zu minus ein Prozent hinunter – vorausgesetzt die Institute nutzen das Geld, um damit Kredite an Unternehmen zu vergeben. Faktisch schenkt die EZB den Banken Geld, wenn diese die Kreditschleusen für ihre Kunden öffnen. Belohnt wird nicht mehr, wer Geld besitzt, sondern wer Geld leiht und weiter verleiht.

Niemand weiß heute, wo dieser geldpolitische Kurs der Notenbanken endet. Die Kombination des globalen Geldmengenwachstums mit direkten Markteingriffen und einer de-facto Abschaffung des Zinses ist ohne Vorbild, weshalb auch zu den Folgen keine historischen Parallelen bemüht werden können. Der Zins ist das wichtigste Korrektiv einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Er bildet sich durch Angebot und Nachfrage. Ihn künstlich zu drücken bringt nur kurzfristige Entspannung. Es wäre naiv anzunehmen, dass derartige Manipulationen des Marktes und damit auch der Wegfall jenes Impulses, der Staaten, Unternehmen und Konsumenten zur finanziellen Nachhaltigkeit erzieht, ohne Folgen für die Finanzarchitektur der Welt bleiben kann. Am Ende dieses geldpolitischen Experiments steht aus unserer Sicht die bewusste Inflationierung vieler Währungen. Durch massivste Verschuldung, verbunden mit einer hochgefährlichen Politik der Notenbanken, werden die Probleme nur in die Zukunft verlagert. Und die Probleme werden jeden Tag größer.

Im Folgenden möchten wir den Versuch wagen, die aktuelle Situation an den Finanzmärkten aus unserer Sicht einzuordnen.

Die USA spielt eine Schlüsselrolle

Im neuen Jahr muss die Entwicklung der politischen und ökonomischen Indikatoren in den USA noch intensiver als in normalen Zeiten beobachtet werden. Die Auswirkungen auf Zinsen, Währungen und Rohstoffe können gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Paradigmenwechsel deuten sich an.

Die Staatsschulden sind in 2020 in den USA um sagenhafte 4 Billionen US-Dollar (USD) angewachsen. Dies entspricht knapp 13.000 USD pro Einwohner – Weltrekord.

Wie bereits beschrieben, haben nahezu alle westlichen Länder diesen Weg eingeschlagen, wenngleich mit geringerer Intensität. Vereinfacht betrachtet, folgt der Westen der Agenda Chinas nach der Finanzkrise im Jahr 2008, als das Reich der Mitte mit hohem Aufwand in der Geld- und Fiskalpolitik gegen die Krise letztendlich erfolgreich ankämpfte. In heutigen Zeiten hält sich China zurück, während der Westen aufs Ganze geht und keine Grenzen kennt. Dennoch gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen den Jahren 2008 und 2020. China investierte massiv in Infrastruktur und legte damit das Fundament für künftiges Wachstum: Flughäfen, Straßen, Häfen, etc. Einige dieser Projekte waren sinnvoll, andere zugegebenermaßen vielleicht nicht. Aus unserer Sicht waren sie aber produktiver als die Transferzahlungen im heutigen westlichen Modell. In den USA, aber auch in weiten Teilen Europas, haben die neuen Schulden bislang noch kein nennenswertes Infrastrukturprojekt finanziert. Die Transferzahlungen der USA erreichen Ihre Bürger zu Konsumzwecken. Diese unproduktiven Schulden führen in großem Umfang entweder zu steigenden Zinsen oder zur Abwertung der Währung.

Das Dilemma der FED und anderer Notenbanken

Die Explosion der Staatsschulden, vor allem im unproduktiven Bereich stürzt die FED in ein Dilemma. Würde die Notenbank die Zinsen auf das Niveau vor der COVID-Krise steigen lassen, wären die Renditen der 10-jährigen US-Treasuries im Bereich von 2,0 bis 2,5 Prozent. Aus heutiger Sicht ist das unvorstellbar. Die USA nehmen bereits heute Kredite auf, um ihre Zinsen zu bedienen. Steigen die Renditen, müssten sie sich noch höher verschulden, einzig und allein um ihren Zinsverpflichtungen nachzukommen. Auch aufgrund hochverschuldeter Unternehmen und Konsumenten wäre dies der sichere Rückfall in die Rezession. Der Notenbank sind also die Hände gebunden.

Daher erachten wir es als sehr wahrscheinlich, dass die FED im Falle steigender Zinsen einschreiten und die Zinsstruktur kontrollieren wird („Yield Curve Control“). Das heißt, man lässt die Inflation nach oben laufen und drückt den Nominalzins darunter. Dadurch wachsen die Nominaleinkommen dank Inflation schneller als die Schuldenlast. So kann man gleichzeitig die Schuldenquoten verringern. Auf welchem Niveau das passieren wird, ist schwer zu prognostizieren. Wir gehen davon aus, dass spätestens im Bereich von 1,5 bis 2,0 Prozent Rendite für 10-jährige Treasuries (derzeit knapp 1 Prozent) diese Intervention zu erwarten ist. Als Konsequenz würde der US-Dollar weiter an Wert verlieren und die Realzinsen noch tiefer in negatives Terrain vordringen. Ein ideales Umfeld für Edelmetalle, aber auch für weite Teile des Aktien- und Rohstoffmarktes.

Die Schwäche des US-Dollars sollte sich in den kommenden Monaten fortsetzen

Die Schwäche des Greenback sollte sich mittelfristig fortsetzen. Vor etwa einem Jahr bot der US-Dollar den Anlegern als einzige unter den großen Währungen positive Realzinsen. Dies führte zu extrem hohen Kapitalströmen in den US-Währungsraum und konsequenterweise zu einer Aufwertung des US-Dollars. Aber dieses Bild hat sich in kürzester Zeit gedreht. Die Vereinigten Staaten zählen heute weltweit zu den Staaten mit den negativsten realen Renditen. Mit steigenden Inflationsraten in den kommenden Monaten sollte sich dieser Trend noch verschärfen. Keine guten Aussichten für die Stabilität der Währung.

Die Rückkehr der Inflation

Wie schon öfter im vergangenen Jahr in unseren Publikationen erörtert, erwarten wir in 2021 die schleichende Rückkehr der Inflation in Form eines Anstiegs der Konsumentenpreise. Die Inflation der Vermögenspreise begleitet uns ja nunmehr schon seit Jahren. Als Gründe haben wir die Explosion des Geldmengenaggregate, steigende Rohstoffpreise, eine angebotsreduzierende Pleitewelle bei Unternehmen sowie eine Verteuerung, weil Regionalisierung, der Lieferketten angeführt.

Die andauernden Konflikte zwischen China und den USA, aber auch die Pandemie haben die globalen Lieferketten anfällig gemacht. Gegenseitige Sanktionen, insbesondere im Technologiesektor, legen die Verwundbarkeit vieler Prozesse und Produkte schonungslos offen. Viele Unternehmen priorisieren mittlerweile die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Lieferung, auch wenn dies mit höheren Kosten verbunden ist. So etwas bezeichnet man als Paradigmenwechsel. Die Globalisierung mit all ihren deflationären Symptomen hat ihren Höhepunkt überschritten. Der Film läuft nun rückwärts.

Dies alles reduziert die Produktivität. Neben der Regulierung und den zunehmenden Klimaauflagen kommt die Produktivität nun auch durch die Umgestaltung der Lieferketten unter Druck. Dies wäre nicht übermäßig inflationär, wenn die Notenbanken, wie in früheren Zeiten, einem leicht aufkommenden Inflationsdruck mit Zinserhöhungen begegnen würden. Das ist aber Geschichte, heute laufen die Notenpressen schneller denn je. Konsequenterweise steigen die am Kapitalmarkt gehandelten Inflationserwartungen bereits deutlich an.

Verluste mit Anleihen

In den kommenden Monaten wird man unterscheiden zwischen den Notenbanken, die die Staatsschulden massiv monetarisieren und solche, die das weniger oder nicht tun. Wir gehen davon aus, dass die FED gemeinsam mit der EZB und der Bank of Japan weiterhin massiv die Staatsschulden finanzieren, während viele asiatische Notenbanken einer seriöseren Geldpolitik folgen werden. Eine zu erwartende Aufwertung asiatischer Währungen in den kommenden Jahren ist per se inflationär für die Welt. Blickt man auf die Statistiken, befinden sich die Lagerbestände der US-Firmen auf sehr niedrigem Niveau. Springt, wie wir vermuten, die Konjunktur im Jahresverlauf an, müssen die Lager aufgefüllt werden. Schwächt sich die Währung gegenüber den Währungen der wichtigsten Importländer ab, so importiert die USA gleichzeitig Güter und Inflation. In den vergangenen sechs Monaten hat der US-Dollar gegenüber dem mexikanischen Peso 15 Prozent, gegenüber dem Südkoreanischen Won 10 Prozent und gegenüber dem Chinesischen Renminbi 8 Prozent an Wert eingebüßt. Länder mit schwachen Währungen, allen voran die USA, schlittern in eine inflationäre Welt.

Wohin driften die Inflationsraten? Aus unserer Sicht ist eine Punktprognose nicht seriös. Zu vieles hängt von den Entscheidungen der Regierungen und Notenbanken ab. Die Reaktionsmuster früherer Konjunktur- und Inflationszyklen sind einem planwirtschaftlichen System zum Opfer gefallen. Vorsorglich haben sowohl die EZB als auch die FED bekräftigt, aufkommende Inflationsraten über das alte 2-Prozent-Ziel hinaus gewähren zu lassen. Aber wo ist die Grenze? Kann man heute aufkommende Inflationsraten überhaupt noch einfangen ohne das überschuldete Finanzsystem zu ruinieren? Wir glauben nein. Aber nehmen wir an, es gelänge, die Inflation bei drei Prozent einzufrieren, was ist der Anreiz für Anleger US-Staatsanleihen mit Renditen um 0,9 Prozent oder deutsche Bundesanleihen mit negativer nominaler Verzinsung zu halten? Egal, ob es den Notenbanken gelingen wird, die Inflation in den kommenden Jahren im Zaum zu halten, eines ist sicher: Der Anleger verliert mit Anleihen Geld.

Implikationen für unsere Strategie

Wir denken, dass sich die Vorzeichen an den Kapitalmärkten verändern. Jahrzehntelang bewegten sich die Anleger in einem Umfeld niedriger Teuerungsraten mit deflationären Symptomen. Globalisierung, Digitalisierung und Automatisierung sorgten für sinkende Kosten und Produktivitätsgewinne. Das Resultat: gleichbleibende oder sinkende Preise. Die Gewinner der vergangenen Jahrzehnte an den Finanzmärkten dürften daher nicht zu den Favoriten der Zukunft gehören. Es ist Zeit, die Pferde zu wechseln. In der alten Welt, in der die Zinsen stetig fielen, war mit Anleihen und US-Wachstumsaktien viel Geld zu verdienen. Die Zeiten sollten sich ändern. In einer Welt der Monetarisierung, schwachem US-Dollar und Kontrolle der Zinsstrukturkurven rücken Sachwerte in den Mittelpunkt. Vieles spricht für substanzstarke Aktien. Sogenannte Value-Aktien, die von einer allgemeinen Wirtschaftsbesserung profitieren, sollten erhebliches Nachholpotenzial haben. Die Aktienindizes spiegeln zwar deutliche Gewinne in den letzten drei Jahren wider, ungewichtet liegt die überwiegende Mehrzahl der Aktienkurse heute aber immer noch unter den Hochs vom Januar 2018. Ebenso interessant sind Investments in Schwellenländer, Rohstoffe und Edelmetalle. Insbesondere rücken Rohstoffe in den Mittelpunkt unseres Interesses. Ein schwacher US-Dollar und Wachstum in den Schwellenländern wirken unterstützend. Im Zentrum aber steht eine starke, synchronisierte, politikgetriebene Nachfrage, die sich auf eine Reichtums-Umverteilung und erneuerbare Energien konzentriert. Da die Investitionen auf der Rohstoffangebotsseite außerhalb erneuerbarer Energien immer noch sehr niedrig sind, dürfte dieses Nachfragewachstum auf absehbare Zeit zu angespannten Märkten führen. Unsere Portfolios sind entsprechend ausgerichtet.

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