Ein denkwürdiges erstes Halbjahr

von | 10. Juli 2020

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Ein denkwürdiges Halbjahr liegt hinter uns. Die Weltwirtschaft erfuhr ihren schärfsten Einbruch seit mindestens siebzig Jahren, die Finanzmärkte durchlebten massive Kursschwankungen und Regierungen wie auch Zentralbanken kündigten die umfangreichsten Stützungsmaßnahmen aller Zeiten an. Aktuell präsentieren sich die Finanzmärkte wie in der Ruhe nach dem Sturm. Aktien-, Renten- und Devisenmärkte befinden sich in einer Seitwärtsbewegung. Umfangreiche Zentralbankliquidität und anhaltende Hoffnung auf eine zügige Konjunkturerholung bilden ein Gegengewicht zu den Sorgen vor möglichen Wachstumsrisiken infolge weiterhin sehr hoher weltweiter COVID-19-Ansteckungszahlen.
Gemanagte Märkte zeigen Stabilität

Anleger werden in diesen Zeiten mit scheinbar unüberwindbaren Gegensätzen konfrontiert. Einerseits beobachten wir die größte Rezession der modernen Wirtschaftsgeschichte, die höchste Arbeitslosigkeit in den USA seit dem zweiten Weltkrieg sowie ein Virus, das weiterhin das Verhalten von Konsumenten, Unternehmen und Regierungen stark beeinflusst. Leider schlitterte die Welt in diese Krise mit einer Rekordverschuldung. Dies ist die Ursache, dass aus dieser, sonst verkraftbaren, Krise eine existenzielle wurde.

Andererseits präsentiert sich die Fiskalpolitik außer Rand und Band. Überall in der Welt verabreichen Regierungen den Konsumenten und Unternehmen Stützungsmaßnahmen in nie vorher dagewesenem Ausmaß. Die Fiskalpakete werden größtenteils von den Notenpressen der Zentralbanken finanziert. Staat und Zentralbank verschmelzen. Die Unabhängigkeit der Zentralbanken wird in diesen Tagen zu Grabe getragen. Kein Tabu ist mehr vor einem Bruch der sogenannten Geldhüter sicher. So beginnt die US-Notenbank FED beispielsweise mit dem Kauf einzelner Unternehmensanleihen bis hin zum Ramschstatus, während sie, wie gewohnt, weiterhin ihre Bilanz mit Staatsanleihen, Kommunalobligationen und Pfandbriefen aufbläht. Dieser Prozess scheint nicht mehr umkehrbar. Mit frisch gedrucktem Geld lassen sich anscheinend unendlich viele Anlagen in der Notenbankbilanz lagern.

In Konsequenz entstehen große Verwerfungen an den Kapitalmärkten. Aktienmärkte steigen, getrieben von Liquidität. Die Zinsaufschläge für Ramschanleihen verharren auf niedrigeren Niveaus als in normalen wirtschaftlichen Zeiten. In den USA ist die Zahl der Beschäftigten auf das Level der Rezessionen in den Jahren 2003 und 2009 zurückgefallen, während, anders als damals, der Aktienmarkt keine adäquate Reaktion zeigt. Bis jetzt zumindest nicht.

Unvorstellbar, dass Aktienmärkte in Zeiten einer Pandemie, eines globalen Shutdowns, einer weltweit historisch hohen Arbeitslosigkeit und des größten Wirtschaftseinbruches der jüngeren Geschichte eine derartige Widerstandsfähigkeit besitzen. Ray Dalio, einer der bekanntesten Hedgefonds-Manager, hat jüngst von unfreien Märkten gesprochen, die von der Politik und den Zentralbanken gesteuert werden. Es bleibt abzuwarten, wie lange und in welchem Ausmaß sich Kapitalmärkte auf diese Weise manipulieren lassen.

Der Preis für die Markteingriffe lässt sich anhand der Notenbankbilanzen bereits erahnen. Zudem häufen sich weltweit die Schuldenberge: Die Staaten wollen in der Corona-Krise die Konjunktur wieder ankurbeln und Insolvenzen verhindern. Führen höhere Staatsausgaben und Steuersenkungen in Verbindung mit Ausweitungen der Geldmengen automatisch zu Preissteigerungen? Noch ist keine Konsumpreisinflation in Sicht. Noch erleben wir, dass das monetäre Umfeld nahezu ausschließlich die Vermögenspreise inflationiert. Aber das dicke Ende kann uns noch bevorstehen.
Fragile Situation in den USA.

Während sich die Kapitalmärkte von ihren Tiefständen Ende März teils deutlich erholen konnten, lässt ein ähnlich fulminantes Comeback der Realwirtschaft noch auf sich warten. Während sich die Situation in Asien sukzessive verbessert, lassen sich in Europa und den USA bislang nur graduelle Verbesserungen beobachten. Insbesondere die Lage in den Vereinigten Staaten nehmen wir zunehmend als fragil war. Die Corona-Lage dort wird immer brisanter. Die Zahl der Neuansteckungen erreicht derzeit neue Höchststände. Die Johns-Hopkins-Universität meldet mittlerweile täglich über 50.000 neue Corona-Infektionen. US-Chefvirologe Anthony Fauci befürchtet sogar, dass die Zahl der täglichen Neuinfektionen auf 100.000 ansteigen könnte, wenn der Trend nicht umgekehrt wird. Als Konsequenz haben einige Bundesstaaten ihre Lockerungsmaßnahmen wieder rückgängig gemacht.

Die COVID-19-Einschränkungen treffen zunächst unmittelbar den Dienstleistungssektor. Dieser Bereich der Volkswirtschaft steht in den USA für über 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und hat damit wesentlich mehr Gewicht als in nahezu allen anderen Industrieländern. Genau das macht die USA derzeit verwundbar. Dies ist eine wichtige Erklärung dafür, dass die Arbeitslosenzahlen weit über denen in Japan, Nordeuropa und Australien verharren. Der Erklärung, der flexiblere Arbeitsmarkt („Hire and Fire“) ist ursächlich für diese Entwicklung, ist zwar nicht falsch, erzählt aber nur die halbe Wahrheit.

Die Amerikaner erleben derzeit die Schattenseite ihres einseitigen Geschäftsmodells aufgrund der jahrzehntelangen Deindustrialisierung. Sie spüren ihre Abhängigkeit von Importen. Viele existentielle Produkte und Komponenten liefert China, andere Länder Asiens und zu einem gewissen Maße Europa, darunter Medikamente, Hardware im Technologiebereich oder Maschinen. Der Median des Vermögens der US-Bürger liegt signifikant unter dem der wichtigsten Industrieländer. Dies ist gleichbedeutend mit einem großen Bevölkerungsanteil an der Schwelle zur Insolvenz, wenn das Einkommen infolge von Arbeitslosigkeit reduziert wird oder komplett wegfällt. Dazu hat die USA die höchsten Pro-Kopf-Gesundheitskosten in der Welt und für viele ist die Krankenversicherung an ein Beschäftigungsverhältnis gebunden. Insbesondere in Anbetracht der bevorstehenden Wahlen wird die Politik nicht umhinkommen, breite Bevölkerungsschichten in den kommenden Monaten zu unterstützen. Die Tatsache, dass die USA mit dem höchsten Budgetdefizit im Jahr 2019 unter nahezu allen Industrieländern in die Krise schlitterte, macht die Sache nicht einfacher.

Wir wagen daher die Prognose, dass die Vereinigten Staaten gezwungen sein werden, eine wesentlich aggressivere Fiskalpolitik als viele andere Länder in den kommenden Monaten zu betreiben. Da die Finanzierung über die FED laufen muss, ist eine entsprechende Ausweitung ihrer Bilanz unvermeidbar. Die 10-Billionen USD-Marke rückt näher. Es baut sich Druck auf den US-Dollar auf.

Navigieren in unsicheren Zeiten

Die Kapitalmärkte haben sich von der Realwirtschaft scheinbar entkoppelt. Ist das gerechtfertigt? Vielleicht. Medikamente und Impfstoffe für COVID-19 werden erwartet, die Unterstützung der Geld- und Fiskalpolitik ist extrem stark und viele Länder lockern die Pandemie-Einschränkungen. Es zeichnet sich jedoch ab, dass die Erholung der Konjunktur langsamer abläuft, als von vielen Optimisten erwartet. Da der künftige Pfad der Konjunktur in hohem Maße vom Verlauf der Pandemie abhängt, ist es nahezu unmöglich, eine hohe Konfidenz bezüglich des künftigen Weltwirtschaftswachstums zu entwickeln. Berücksichtigt man all die Argumente, so spricht auch in Zukunft einiges für ein Investment in Sachwerte wie Aktien, Immobilien und Gold. Allerdings werden die Schwankungen weiterhin den Anlegern Kopfzerbrechen bereiten.

Wir plädieren dafür, grundsätzlich investiert zu sein. Mit hohen Cash-Beständen an der Seitenlinie zu stehen und auf mehr Klarheit zu warten, könnte sich als nicht zielführend erweisen, um seine langfristigen Ziele zu erreichen. Auf dem Geld-Parkplatz gibt es keine Zinsen mehr. Und das wird auch so bleiben. Auf nominaler Basis noch Jahre, auf realer Basis bis zur nächsten Währungsreform. Dies stellt uns vor große Herausforderungen. Zinsanlagen taugen nur noch vereinzelt und sehr bedingt zur Erzielung ordentlicher Erträge. Dividendenstarke Aktien sowie Immobilieninvestments können diese Funktion in Teilen übernehmen und werden von uns stark berücksichtigt. Leider sind hier die Schwankungsbreiten größer, umso mehr bleibt das Risikomanagement im Fokus unserer Strategien.

Innerhalb der Anlageklassen verfolgen wir weiterhin einen strikten Qualitätsansatz. Dies beinhaltet sowohl die Auswahl der Emittenten im Anleihebereich als auch die Präferenz für Unternehmen, die solide und nachhaltige Cash-Flows erwirtschaften können.

Eine Anmerkung ist uns besonders wichtig: Wie schon in den vergangenen Marktberichten erwähnt, erwarten wir, dass in den kommenden Jahren die dramatische Ausweitung der Geldmengen nicht nur die Vermögenspreise, sondern auch die Konsumpreise inflationiert. Daher bevorzugen wir strukturelle Anlagen, die sich in einem inflationären Umfeld mit negativen Realzinsen behaupten können. Neben dividendenstarken Unternehmen, Immobilien sowie Edelmetallen rückt zunehmend der Rohstoffbereich ins Zentrum unseres Interesses. In Relation zu vielen Anlageklassen haben Rohstoffe in den vergangenen Jahren aus den unterschiedlichsten Gründen sehr schlecht abgeschnitten. Im Vergleich zum Aktienmarkt bewegen sich Rohstoffe gar auf historischen Tiefständen. Aufgrund der monetären Exzesse und den mittelfristigen Inflationsrisiken dürfte das Segment in den kommenden Jahren wieder an Attraktivität gewinnen. Das gilt ebenso für die Produzenten wichtiger Rohstoffe als auch für die Währungen von Ländern, deren Prosperität in hohem Maße von der Rohstoffpreisentwicklung abhängt. Als Beispiele seien die Norwegische Krone und der Kanadische Dollar erwähnt.

Gold – starker Rückenwind für das gelbe Metall

Gold befindet sich seit 2016 in einer soliden Aufwärtsbewegung. Die 1800 US-Dollar-Marke ist nicht mehr weit entfernt. Dass Investoren dem Reiz des Edelmetalls nicht widerstehen können, liegt nicht nur an der Unsicherheit über den Fortgang der Corona-Pandemie. Auch die Sorge vor einem Rückschlag an den haussierenden Aktienmärkten und nicht zuletzt die anhaltend niedrigen nominalen Zinsen dürften die Nachfrage der Anleger weiter anheizen. Hinzu kommen Konjunktursorgen. Die Weltwirtschaft wird dieses Jahr nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds wegen der Corona-Krise noch viel stärker schrumpfen als ohnehin schon gedacht: um 4,9 Prozent.

All diese Argumente sind durchaus valide. Der entscheidende Grund, dass wir Gold als einen extrem wichtigen Baustein in der Vermögensanlage für die kommenden Jahre erachten, ist der Realzins (Nominalzins abzüglich der Inflationsrate). Der Realzins ist eine der Haupterklärungsvariablen für die Goldpreisentwicklung. Es herrscht landläufig der Glaube, die Goldpreisentwicklung hänge stark vom Inflationsniveau ab. Das war aber nicht immer so zu beobachten. So waren in den 1980er Jahren hohe Inflationsraten an der Tagesordnung, der Preis für das gelbe Metall aber schwächelte. Kein Wunder: Bei Inflationsraten von 5 Prozent und Zinsen für 10jährige US-Staatsanleihen von 8 Prozent lag der Realzins bei 3 Prozent. Heute liegt der Zinssatz für die erwähnten Anleihen unter einem Prozent bei Inflationsraten über einem Prozent. Das erhöht die Attraktivität von Gold. Es ist ein knappes Gut ohne das Risiko einer Gegenpartei, das langfristig die Kaufkraft erhalten kann. Gold steht im Wettbewerb mit Anleihen und Bankguthaben in aller Welt, die derzeit meist durch negative Realzinsen gekennzeichnet sind.

Die beste aller Welten wären steigende Inflationsraten bei gleichzeitig niedrigen Nominalzinsen. Wie schon erwähnt, gehen wir davon aus, dass die meisten Staaten und weite Teile der Unternehmen und Konsumenten positive Realzinsen nicht mehr dauerhaft bedienen können. Dieses Umfeld wird uns erhalten bleiben. Die US-Notenbank diskutiert schon fleißig über eine Kontrolle der Zinsstrukturkurve („Yield Curve Control“), welche die Nominalzinsen auf niedrigem Niveau verankert, unabhängig von der Inflationsentwicklung. In den 1940er Jahren wurde dies letztmals praktiziert. Notenbanken weltweit versuchen, die Inflationsraten nach oben zu bringen. Wenn gleichzeitig die Zinsen niedrig bleiben, brechen goldene Zeiten an, zumindest für Edelmetalle.

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